Praktische Philosophie zum gelingenden Älterwerden in Würde

Was ist gelingendes Älterwerden in Würde?

Gelingendes Älterwerden in Würde hat seine ganz eigene Qualität. Diese Qualität ist vordringlich sozial und kulturell, aber auch symbolisch zu verstehen und findet vor einem nicht zu verachtenden Ansammlung materiell-ökonomischer Ressourcen statt. Die Verteilung dieser Ressourcen ist einseitig zu Gunsten der Älteren in unserer Gesellschaft entschieden. Besonders deutlich wird das anhand der riesigen Summen Geldes, die es in den kommenden Jahrzehnten zu vererben gilt. Beste Voraussetzungen also im hier und jetzt.

Womit und wodurch wird das gelingende Älterwerden in Würde, nach dem doch jede*r von uns strebt, begrenzt? Es wird nicht nur begrenzt, geächtet und diskriminiert durch eine Bewertung (und teilweise auch Selbstbewertung) als „unproduktive Kostenlast“. Diese und die damit verbundenen Konsequenzen nennt Andreas Stückler in seiner „kritischen Theorie des Alter(n)s“ (Mandelbaum Verlag 2024) eine Dissoziation. Erzwungene Dissoziation entsteht auf materiell-struktureller Ebene durch das Herausfallen aus der Arbeit, zu dem Zeitpunkt an dem jemand für den gesellschaftlichen Verwertungsprozess überflüssig wird (vgl. Stückler 2024: 42ff.).

Was leistet eine kritische Theorie des Alter(n)s gegen die Dissoziationen?

Die kritische Theorie des Alter(n)s kritisiert die Dissoziation des Alter(n)s aus wert- und kapitaltheoretischer Perspektive mit Theorien der Ausbeutung und Anerkennung. Kritik wird auch aus feministischer und sozial-historischer Perspektive geübt. Stückler erweitert sie auch um die Aspekte der Selbst-Verdinglichung beispielsweise anhand der fast klassischen Kritik an Jugendwahn und Schönheitsindustrie. Wie kann diese zusammenhängende Kritiksammlungen zu einer Praxis werden, damit Alter(n) neu gelingt und würdevoller wird?

Die Neuen Alten: vier Beispiele für freiwillige Assoziationen, die zu gelingendem Älterwerden und Alter in Würde beitragen

Bsp 1: DNA-Aktion Brückenschlag

Es ist unumstritten, dass Fremde die in eine ihnen ebenfalls fremde Gemeinschaft gelangen und dort emotional, sozial und kognitiv anerkannt werden, in eine inklusive Gemeinschaft gelangt sind. Dieses inklusive Ankommen kann bei bei der DNA-Aktion Brückenbau erfahren werden. In Sichtweite des Ankommens: emotionale Bedürfnisse werden in der Gruppe unbefangen, weil ohne Missachtungserfahrung, geteilt. Moderation sichert die Zugehörigkeit zur Gruppe während der Treffen so gut wie möglich. Alle unterliegen den gleichen formalen und damit gerechten Regeln. Dort kann heilen, was an anderer Stelle in der Gesellschaft fortlaufend dissoziiert wird.

Bsp 2: Demokratische Versammlungen

In den Mitglieder- und Angestelltenversammlungen der SAGES eG indes darf demokratische Mitbestimmung und Partizipation unter emanzipierten Individuen gelebt werden. Das war zugegebenermaßen in der Vergangenheit nicht immer der Fall aufgrund des inhärenten Konfliktpotentials der teilweise stark verfeindet scheinenden Individuen. Aktive Mitglieder der inklusiven Sozialgenossenschaft SAGES werden am 31.5. diesen Jahres 2025 gesehen haben ob diesem Ideal näher gekommen sein werden.

Bsp 3: Mentorentrainings

Mentorentrainings entsprechen der praktischen Umsetzung einer zukunftsweisenden Forschungsfrage: Wie gelingt das neue Alter(n) in Würde und vertrauensvoller Vernetzung? Mentoren gewinnen Erkenntnisse indem sie die in ihrem Sozialraum bestehende sorgende Gemeinschaft kultivieren. Sie sind vertrauensvoll vernetzt mit den Klient*innen, Mithelfenden und dem Helferportal und tragen dazu bei, dass sich alle Teilhabenden angenommen, beheimatet und geborgen fühlen. Ihre Aktivitäten sollen dazu führen, dass nach und nach mehr stabile und informelle Paarungen und Netzwerke entstehen, soziale Nachhaltigkeit die auch im gesellschaftlichen Krisenmodus weiter wirkt.

Bsp 4: DNA-Rundbrief und Öffentlichkeitsarbeit

Der DNA-Rundbrief erscheint bereits im 7. Jahr regelmäßig um die Monatsmitte und landet mittlerweile in fast 3.000 e-Mailpostfächern. Inhaltlich geht Redaktion und der SAGES eG geht es vordringlich auch darum, Interessentinnen über Entwicklungen in der Szene auf dem Laufenden zu halten, d.h. auch anhand von positiven Beispielen auf zu zeigen dass man gerade wegen der Altersflecken nicht zu den „Lumpen und alten Eisen“ gehört. Studien beweisen es: Lokaljournalismus ist ein Garant der demokratischen Partizipation und regt zu mehr gelingendem Alter(n) in Würde an.

Kritik des gelingenden Alter(n)s in Würde

Sicher ist: Angesichts der wachsenden Herausforderungen ist Zweckoptimismus angebracht. Wer aber seine Möglichkeiten und Chancen nicht ergreift, dem kann auch nicht geholfen werden. Kontraproduktive (selbst-) Missverständnisse und einige konservative Verständnisse zementieren das Bestehende, führen also nicht zur Handlungsfähigkeit und nicht zum guten Leben in Würde. Dabei kommt durch die Menschenwürde dem Menschen eine Pflicht zu, sich für eine Gemeinschaft zu engagieren, in der jedem Menschen die ihm unverdienbare Würde zukommen kann. Das ist mit Dr. Friedrich Nietzsche fürs Individuum ein stetiger Übergang, der zugleich Untergang unserer narzisstischen Gesellschaft ist. Denn gelungen älter wird, wer nicht vergisst sich selbst anzuerkennen und seine Würde wahrt, indem er das Unverfügbare im Antlitz des Gegenübers anerkennt.